Restart 19 - Wie war es vor Ort?
25.08.20 11:08 • Sophie Blumberg
Gespannt warten wir alle auf die Ergebnisse der Restart 19 Studie! Wir haben mit Jörg Rüegg, dem Projektmanager der LITECOM GmbH, gesprochen und konnten einen guten Einblick in die Welt der Veranstalter gewinnen.
SECmarket: Hallo Herr Rüegg! Aus welchem Grund haben Sie sich dazu entschlossen, am Restart 19 Projekt teilzunehmen?
Jörg Rüegg: Ich bin durch ein Gespräch mit einem Verantwortlichen für das Volkshaus in Jena auf das Projekt aufmerksam geworden. Es ging darum, inwieweit dort im September eine bestuhlte Veranstaltung - die mit 700 Teilnehmern ausverkauft gewesen wäre - mit einem Hygiene- und Sicherheitskonzept durchführbar ist. Darüber haben wir diskutiert und mir wurde von dem Restart 19-Projekt erzählt. Daraufhin habe ich den Meister von der Arena angerufen und mit ihm darüber gesprochen, habe mich im Internet darüber informiert und fand das ein sehr gutes Projekt. Dass man wirklich versucht, auch mal wissenschaftlich fundiert Daten zu ermitteln: Wie ist denn genau das Verhalten bei Veranstaltungen? Ich bin selbst unmittelbar von der Coronasituation betroffen, seit März steht bei uns alles still. Und es sieht auch nicht so aus, als könnten wir ab September sofort wieder loslegen. Von daher hat mich das angesprochen und sehr interessiert und da habe ich gesagt: Das muss ich unterstützen, da werde ich dabei sein. Und ich konnte auch noch ein paar Leute zur Teilnahme motivieren, die ebenfalls beruflich mit der Veranstaltungsbranche verbunden sind.
SECmarket: Und welche Bedeutung haben Veranstaltungen für Sie generell?
Jörg Rüegg: Erstmal prinzipiell eine sehr existenzielle Bedeutung. Ich bin Meister für Veranstaltungstechnik, Fachrichtung Bühne / Studio und das ist mein Haupterwerb. Ich befinde mich seit März in Kurzarbeit, wie viele Kollegen von mir auch, zu 100%. Ich bin ganz froh darüber, dass es diese Kurzarbeiterregelung gibt. Gesellschaftlich gesehen haben Veranstaltungen natürlich auch eine sehr große Bedeutung, zur Unterhaltung und Ablenkung für die Menschen, gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit.
SECmarket: Wie haben Sie sich während der Studie gefühlt?
Jörg Rüegg: Für mich war es prinzipiell erstmal ungewohnt. Ich war schon sehr lange nicht mehr auf der Publikumsseite, ich bin normalerweise immer auf der anderen Seite. Die drei Szenarien – das war schon spannend. Ich saß zum ersten mal in einer Bestuhlung, die ich normalerweise zeichne oder zu verantworten habe. Im ersten Szenario standen die Stühle im vor Corona üblichen Abstand zusammen. Das hat auch dazu beigetragen, dass im ersten Konzertteil sehr schnell der Funke übergesprungen ist. Auch um mich herum haben alle schnell mitgewippt zur Darbietung.
SECmarket: Und wie war das Sicherheitsempfinden? Wie haben Sie sich vor Ort gefühlt?
Jörg Rüegg: Ich hatte im Hinblick auf das Infektionsgeschehen keine Bedenken, dass dort etwas Unvorhergesehenes oder Schlimmes passieren könnte. Die Testveranstaltung wurde gut vorbereitet und es gab funktionierende Konzepte. Alle Anwesenden wurden getestet. Das war sehr spannend, ich habe am Donnerstag meinen Corona-Test per Post an die Teststelle geschickt und habe am Freitag in der Nacht dann eine E-Mail bekommen, dass mein Test negativ ist und ich an der Veranstaltung teilnehmen kann. Von den 1600 Tests, die durchgeführt wurden war auch nur einer positiv. Das Infektionsgeschehen ist zumindest regional betrachtet in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen jetzt auch nicht zu vergleichen mit Bayern oder NRW. Ich war in keinem Risikogebiet und alle Teilnehmer wurden befragt, ob sie sich in Risikogebieten aufgehalten haben. Von daher habe ich mir darum keine Gedanken gemacht. Was ich tatsächlich schwierig fand: Die FFP2-Maske saß schon sehr eng und ist sehr dick. Ich war froh, nach 20 Minuten an die frische Luft zu gehen und die Maske abzusetzen. Ich kann mir vorstellen, dass es in einem Gedränge zu Kreislaufproblemen oder Beklemmung und damit zu unberechenbaren Situationen führen kann. Aber solange der Abstand eingehalten wird, denke ich dass es auch zumutbar ist, bei einer Veranstaltung eine Maske zu tragen. Es muss jetzt nicht unbedingt eine FFP2-Maske sein, das war jetzt der Studie geschuldet, sondern so eine leichte Mund-Nase-Bedeckung, das fühlt sich ja auch schon ganz anders an.
SECmarket: Was denken Sie werden für Ergebnisse für die Studie herauskommen?
Jörg Rüegg: Das ist wirklich schwer zu sagen, das ist wie Gucken in die Glaskugel. Ich kann mir vorstellen, dass einiges, was man sowieso schon vermutet, sich bestätigen wird. Dass es durch Einlass- und Pausensituatione und durch Gedränge am Cateringstand zu einem höheren Risiko durch Aerosole beziehungsweise durch Kontakte kommt. Das wird glaube ich keinen überraschen, wenn das jetzt noch wissenschaftlich belegt wird. Mich würde aber viel mehr interessieren: Wie groß ist denn jetzt das Risiko bei den drei Szenarien während der Veranstaltung? Das letzte Szenario war ja dann das mit der Bestuhlung mit 1,50m Abstand, wo nur jede zweite Sitzreihe besetzt wurde. Da hatte ich einen Sitzplatz ganz weit hinten in der Halle, da war es zwar okay mit der Maske, aber ich habe kein Gefühl mehr für die Darbietung bekommen. Die Bühne war sehr weit weg, es war dementsprechend auch nicht vorgesehen, dass durch Video oder zusätzliche Beschallungsanlagen ein bisschen näher heranzuholen, was man ja sonst ab einer gewissen Entfernung macht. Das war schon aus der Sicht von Veranstaltern, die das so ihren Kunden vermitteln und verkaufen, interessant zu erleben. Und ich finde es schwierig, das dann gut durchzuziehen, damit das Publikum danach sagt: Wow, das war ‘ne geile Show!
SECmarket: Da können wir nur hoffen, dass es in Zukunft wieder einfachere Bedingungen geben wird!
Jörg Rüegg: Ich denke mal, dass wir hoffentlich im Januar langsam wieder mit dem Veranstaltungsbetrieb anfangen können. Es muss dann auch wieder losgehen, die Termine wurden alle verlegt. Der Ablauf erfolgt dann mit einem Hygieneschutzkonzept im genehmigten Rahmen, da muss man sehen wie es weitergeht. Und vielleicht unterstützt die Studie das dann ja auch mit Daten, das man vielleicht sagt, dass man das Szenario 2 umsetzen kann, was noch ein bisschen mehr das Gefühl vermittelt: Ich bin in einer Show und sitze nicht irgendwo einzeln rum.
SECmarket: Wir warten auf die Ergebnisse und drücken die Daumen, dass es wieder bergauf geht mit der Veranstaltungsbranche. Gibt es noch etwas, was Sie gern unseren Lesern mitteilen würden?
Jörg Rüegg: Es bleibt spannend und wir müssen uns alle etwas überlegen und bildlich gesprochen näher zusammenrücken. Alle, die an einer Veranstaltung beteiligt sind müssen harmonieren und es muss funktionieren. Man muss natürlich gucken, was passiert, wenn man die Situation hat, dass man nur ein Drittel an Umsatz machen kann, weil man nicht mehr Karten verkaufen kann, aber trotzdem mehr Personal und Material braucht, um die Hygieneanforderungen umzusetzen. Da müssen wir uns alle an einen Tisch setzen und schauen, dass wir das gemeinsam schaffen. Ansonsten weiß ich nicht, wie es weitergeht. Wir warten ab, was die Politik macht. Ich habe neulich einen sehr schönen Witz gehört: „Herr Doktor, wie lange wird es denn mit Corona noch gehen?“ „Weiß ich doch nicht, ich bin Arzt und kein Politiker!“ In diesem Sinne - das war das Schlusswort.
SECmarket: Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Zeit!
Jörg Rüegg: Gerne.
Sophie Blumberg
Seit Februar 2020 unterstützt Frau Blumberg die SECmarket tatkräftig als Head of Content in den Bereichen Contenterstellung, Social Media und Public Relations. Sie bringt Erfahrung, Motivation und Engagement mit in ihre Position. Das Schreiben ist ihr Element, ob Blogbeiträge, Posts oder wissenschaftliche Beiträge - alles ist möglich!